Debatte um Suizidassistenz: Experten fordern neue Standards in München!
Ein Überblick über die aktuellen Entwicklungen zur Suizidassistenz in Deutschland, einschließlich juristischer und ethischer Fragestellungen.

Debatte um Suizidassistenz: Experten fordern neue Standards in München!
In München wird zurzeit ein heikles und hochkompliziertes Thema diskutiert: die Suizidassistenz. Wolfgang Putz, ein versierter Rechtsanwalt und Medizinrechtsexperte, hat jüngst eine Verfassungsbeschwerde eingereicht, die einen bedeutenden Einfluss auf die aktuelle Rechtsprechung haben könnte. Der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2020, welcher das Verbot geschäftsmäßiger Suizidassistenz für verfassungswidrig erklärte, hat den Rahmen für laufende Diskussionen neu definiert. Putz appelliert an die Ärzteschaft, dringend Standards zur Feststellung der Freiverantwortlichkeit eines Suizidwunsches zu entwickeln, um mehr Rechtssicherheit zu schaffen. „Das können weder die Gesetzgeber noch die Gerichte adäquat leisten“, so Putz. Diese Aufforderung ist besonders wichtig, da der Bedarf nach klaren Richtlinien in der Praxis immer deutlicher wird, widerspricht Putz doch der gängigen Meinung, dass Ärzteschaft und Justiz kompetent genug wären, solche Fragestellungen zu klären.
Diese Thematik wirft mehrere komplexe Fragen auf. Prof. Thomas Pollmächer vom Klinikum Ingolstadt thematisiert die psychischen Herausforderungen, die bei der Begutachtung von Suizidwünschen entstehen. Pollmächer betont, dass die freie Willensbildung nicht einfach nur an der Nachvollziehbarkeit eines Suizidwunsches festgemacht werden kann und dass auch psychische Erkrankungen nicht zwangsläufig die Fähigkeit zur fundierten Willensbildung ausschließen.
Ein unterstützender Ansatz
Ein weiterer wichtiger Aspekt wurde von Prof. Georg Marckmann von der LMU München angesprochen. Er sieht den Bedarf, statt eines strikten Schutzkonzepts zu einem Unterstützungskonzept für Menschen mit Sterbewünschen zu wechseln. Marckmann fordert, dass die Selbstbestimmungsfähigkeit nicht nur überprüft werden sollte, sondern dass auch individuelle Lösungsansätze im Rahmen von „Shared Decision Making“ gemeinsam mit den Patienten erörtert werden müssen.
Ein aktueller Bericht des Gesundheitsreferats der Stadt München und des Instituts für Rechtsmedizin der LMU zeigt, dass es in den Jahren 2020 bis 2023 zu einem Anstieg der Suizidassistenzen gekommen ist. Prof. Sabine Gleich berichtete, dass in dieser Zeit insgesamt 77 Fälle registriert wurden, begleitet von einer geringen Anzahl an Ärzten, die Suizidassistenz durch Sterbehilfeorganisationen anbieten. Dies wirft Fragen zu den vorhandenen Schutzkonzepten auf, insbesondere für gefährdete Gruppen wie Personen, die bereits Suizidversuche unternommen haben.
Rechtslage und ethische Überlegungen
Die rechtlichen Rahmenbedingungen sind in Deutschland klar: Selbsttötung und Beihilfe zur Selbsttötung sind nicht strafbar, wie die Deutsche Stiftung Patientenschutz unterstreicht. Es gibt das Recht auf selbstbestimmtes Sterben und ein Selbstbestimmungsrecht des Einzelnen. Doch stellt sich die Frage nach der Fürsorgepflicht der Gesellschaft. Der Bedarf an einer gesetzlichen Regelung der Suizidhilfe wird in der öffentlichen Diskussion immer präsenter.
In anderen Ländern sieht die Situation unterschiedlich aus. Während in Ländern wie der Schweiz Suizidhilfe nur bei selbstsüchtigen Motiven strafbar ist, ist in den Niederlanden, Belgien und Luxemburg ärztliche Suizidbeihilfe unter bestimmten Voraussetzungen straffrei. In den USA, speziell in Oregon und Washington, ist Suizidbeihilfe sogar gesetzlich erlaubt. Diese unterschiedlichen Regelungen im Ausland führen immer wieder zu Vergleichen und Diskussionen innerhalb Deutschlands.
Zusätzlich mahnen Experten wie Prof. Michael von Bergwelt von der LMU Klinikum zur Vorsicht. Trotz erfreulicher Entwicklungen in der Onkologie, die Patienten bessere Lebensqualität und -dauer bieten, könnte eine erhöhte Präsenz von Suizidassistenz in sozialen Medien zu leichtfertigen Suizidwünschen führen. Hier stellt sich die Frage, wie die Gesellschaft und vor allem die medizinischen Fachkräfte auf solche Entwicklungen reagieren sollten, um Patienten in ihrer schwersten Stunde eine möglichst adäquate Unterstützung zu bieten.
Die Debatte rund um assistierten Suizid bleibt spannend und verlangt von allen Beteiligten ein hohes Maß an Sensibilität und Verantwortung. Die Herausforderungen sind vielfältig und die gesellschaftlichen wie rechtlichen Rahmenbedingungen müssen stetig evaluiert und angepasst werden.